Nur noch wenige Tage bis zur EURO. Das größte Ereignis, das je in Österreich stattgefunden hat. Die Spannung steigt jedenfalls. Mitten drin statt nur dabei ist SVSF-Haudegen David Blazanovic, der als einer von 27.000 österreichischen Exekutivbeamten während der EURO für Sicherheit sorgen soll.
David übt aber nicht „Dienst nach Vorschrift“ aus. Viel mehr ist er einer von wenigen Auserwählten, die in den nächsten Wochen eng mit Polizisten aus den Teilnehmerländern kooperieren werden. In einem schwierigen Auswahlverfahren wurde er als einer von wenigen auserkoren, die Kollegen aus Kroatien während der EURO zu betreuen. Hier auf der SVSF-Homepage wird er in den nächsten Wochen im Internet-Blog „Mein EURO-Tagebuch“ über die spannende Arbeit berichten.
Dienstag, 3. Juni 2008, Tag 1: Meine neue Kollegen
Hallo Freunde, für mich war bereits heute Tag 1 der EURO 2008. Ich bin einer von mehreren kroatischen Dolmetschern, der in den nächsten Wochen für die kroatische Polizeidelegation zuständig ist. Am Vormittag war Treffpunkt in einem Wiener Hotel. Aus einem Autobus stiegen 32 Polizisten (auch Offiziere) aus Kroatien. Mir wurden zwei Polizisten aus Osijek, Josip und Danijel, zugeteilt. Einen Chauffeur und einen Wagen (VW-Bora) haben wir auch ausgefasst. In den nächsten Tagen werde ich die Zusammenarbeit mit den Kollegen vertiefen. Ich bin so eine Art „Fremdenführer“ für sie. Wenn irgendwo Arbeit anfällt, müssen wir ausrücken. Das kann der Flughafen, der Bahnhof, ein Stadion oder ähnliches sein. Überall, wo die kroatischen Fans sind, werden wir uns auch aufhalten. Auf die Fans sollen die uniformierten, aber unbewaffneten Polizisten beruhigend (ein)wirken. Keine Angst: Sollte die Lage irgendwo kritisch werden oder eskalieren, rücken wir sofort ins zweite Glied zurück. Diese Woche werden wir uns eher im Wiener Raum aufhalten, auch weil Kroatien am Sonntag in Wien gegen Österreich spielt. Morgen hab ich gleich einmal frei, bin aber dauernd in Bereitschaft. Meine zwei Kollegen Josip und Danijel werden sich morgen Mittwoch die Stadt ansehen. Wir haben bereits ausgemacht, dass ich ihnen vielleicht am Donnerstag das Hanappi-Stadion zeige. Am Donnerstag werden wir wahrscheinlich auch unsere Akkreditierung bekommen. Damit werden wir überall Zutritt haben. Was uns genau erwartet, ist noch offen. Ab Montag wird es uns in Richtung Klagenfurt ziehen. Sollte Kroatien die Vorrunde überstehen, könnte es durchaus auch in die Schweiz gehen. Mal sehen, es ist alles offen. Vielleicht statten wir auch dem kroatischen Camp in Bad Tatzmannsdorf einen Besuch ab. Das war jetzt also der erste Bericht, wir lesen uns bald wieder…
Donnerstag, 5. Juni 2008, Tag 2: Kroatien-Kabine und der Maskenmann
Hallo Freunde. Das war ein ereignisreicher Tag heute. Am Vormittag fand im Landespolizeikommando eine Pressekonferenz statt. Wir haben mittlerweile auch unsere Akkreditierung ausgefasst. Jetzt kommen wir, meine kroatischen Kollegen Josip und Danijel und meine Wenigkeit, überall rein! Nach dem Mittagessen gab´s den ersten Höhepunkt: Wir fuhren ins Ernst-Happel-Stadion. Dort konnten wir uns von den Umbauarbeiten überzeugen. Wir durften ein paar Sekunden lang auf den Rasen. Wirklich ein Teppich. Da gibt´s keine Ausreden, wenn unsere ÖFB-Kicker einen technischen Fehler machen. Wir standen im Spielertunnel, dann ging´s ab in die Katakomben. Wir statteten der Gästekabine einen Besuch ab. Dort ist bereits alles für die Kroaten vorbereitet. Die Spinde, ein großer Fernseher, ein Kühlschrank, zwei Massagetische, Duschen und ein Whirlpool. Alles, was das Herz begehrt. Ein Wahnsinn auch der VIP-Club. Auch wenn alle sagen, das Happel-Stadion ist veraltet, muss klipp und klar gesagt werden: Das Stadion ist ein würdiger Schauplatz für das Finale. Anschließend wurde gleich das nächste Stadion inspiziert. Meine beiden kroatischen Freunde wollten unbedingt das Gerhard Hanappi-Stadion sehen. Versprochen ist versprochen! Auch das Rapid-Stadion wird bei der EURO gebraucht werden. Dort ist eine große Fanzone installiert. Vor dem Gästesektor wurde eine große Leinwand aufgestellt. Nachdem wir im Fanshop waren und bevor wir im „Goleador“ essen waren, stand plötzlich der Maskenmann vor uns. Stefan Maierhofer machte kurz für ein kleines Gespräch Halt. Ich tröstete ihn und fragte ihn nach seinem Kommentar bezüglich der Nichtnominierung: „Sportlich hätte ich es mir verdient, leider gab es auch andere Gründe, die ich nicht kenne!“ Schade, dass wir keine Zeit für ein Foto hatten. Das war´s auch schon für heute. Morgen haben wir unseren ersten Kontakt mit den kroatischen Fans. Wir sind in der Ottakringer Straße unterwegs. Dort ist der Brennpunkt der kroatischen Fans in den Lokalen. Wir lassen uns anschauen und machen eine erste Kontaktaufnahme. Das Fieber steigt!
Freitag, 6. Juni 2008, Tag 3: Zu Gast bei Einzelgänger Del Piero
Hallo Freunde. Morgen geht es endlich los. Die Vorfreude und Spannung steigt. Das ganze Land fiebert der EURO entgegen. Für meine beiden Kollegen Danijel, Josip und für mich stand ein interessanter Tag auf dem Programm. Gestern hatte ich euch noch versprochen, dass wir am Freitag die Ottakringer Straße (Brennpunkt der kroatischen Fans) erkunden werden. Das steht erst am Samstag an. Heute ging´s nach dem Mittagessen um 14.00 Uhr auf den Wiener Südbahnhof. Dort kamen etwa 20 kroatische Schlachtenbummler aus Zagreb bei uns an. Keine der üblen Sorte, sondern alles normale Fans, die keinen Radau machen wollen. Wir waren sozusagen das Begrüßungskomitee. Danach waren wir wieder auf Stadionentdeckungstour. Diesmal ging´s in die Südstadt zum Trainingscamp der „Squadra Azzura“. Während die italienischen Kicker auf dem Weg von Baden ins Trainingsgelände waren, bekamen wir Zutritt zum Admira-Stadion. Die Italiener waren noch immer nicht da, die „Tifosi“ warteten aber schon ganz ungeduldig. Überall waren sie, sogar auf Bäumen hatten sie sich postiert. Noch war ein bisschen Zeit, also besuchten wir die Sporthalle, in der die Hypo-Handball-Girls ihre Europacupspiele abwickeln. Neben auf dem Trainingsplatz in der Südstadt trainierten die Kicker von RedZac-Ligist Trenkwalder Admira für die neue Saison. Währenddessen wurde es auf dem Parkplatz des Südstadt-Stadions lauter. Rund um einen Pkw scharrten sich die Fans der Italiener. Niemand anderer als Juventus-Ikone Alessandro Del Piero (heuer Torschützenkönig in der Serie A) stieg aus dem Auto. Komisch: Warum ist der nicht mit dem Autobus der Italiener unterwegs? Darauf erhielten wir keine Antwort. Kurz darauf parkte sich auch der blaue Mannschaftsbus unter Polizeischutz ein. Ein Offizieller meinte zunächst, wir könnten bei der Trainingseinheit zuschauen. Kurz bevor es los ging, wurde uns dann doch freundlich nahegelegt, das Stadion zu verlassen. Das war´s für heute: Am Freitag geht´s wie vorhergesagt in die Ottakringer Straße. Dort treffen sich die meisten der kroatischen Fans. Welche Fans die friedlichen und welche die Radaubrüder sind, und welche Tricks die auf Lager haben, um unbemerkt nach Österreich zu kommen, erfahrt ihr morgen. Bis dann…
Samstag, 7. Juni, Tag 4: Auf „Du und Du“ mit Luka Modric
Eröffnungstag bei der EURO 2008: Gastgeber Schweiz verlor gegen Tschechien etwas unglücklich, dafür war der Sieg der Portugiesen gegen die Türkei mehr als verdient. Für meine Kollegen und mich stand ein 16.00 Uhr bis 2.00 Uhr-Dienst auf dem Programm. Am Nachmittag fuhren wir ins Happel-Stadion: Dort fand das Abschlusstraining des kroatischen Teams statt. Nachdem die Kicker bereit für das Training waren, hieß es „warten“, denn plötzlich setzte Regen ein. Man überlegte, ob das Training gecancelt werden sollte. Als der Regen nach 20 Minuten aufhörte, wurde doch trainiert. Die Kamerateams durften 15 Minuten lang mit dabei sein, mussten dann das Stadion verlassen. Wir standen im Gang, wo die Teams dann beim Match einmarschieren und spionierten. Aufwärmen, Standards, dann ein Match. Das Trainerteam Slaven Bilic, Robert Prosinecki, Aljosa Asanovic und Nikola Jurcevic machte beim Aufwärmen einen Halbkreis und ließ den Ball in der Luft zirkulieren. Wahre Legenden! Nach dem Training postierten wir uns mit anderen Kollegen in der Lounge. Nach und nach tröpfelten die Kicker an uns vorbei. Einige von ihnen standen uns für ein Erinnerungsfoto parat. Zum Beispiel die Brüder Niko (Red Bull Salzburg)und Robert Kovac (Dortmund), Niko Kranjcar (Portsmouth), Darijo Srna (Donezk), Danijel Pranjic (Heerenveen) und Vedran Runje (Standard Lüttich). Mittelfeldregisseur Luka Modric (jetzt Tottenham) sprach ich an: „Schöne Grüße von meinem Onkel Ivo!“ Antwort: „Grüße zurück!“ Was es damit auf sich hat? Der ehemalige SVSF-Abwehrrecke Ivo Blazanovic war Trauzeuge bei der Hochzeit von Luka Modrics Vater. Die Eltern von Modric übernachten von Samstag auf Sonntag in der Wohnung von Ivo. Alles in allem ein Wahnsinnserlebnis. Als das Eröffnungsspiel begann, ging es in die Ottakringer Straße. Dort sammelten sich die kroatischen Fans, um sich die Spiele in Lokalen anzusehen und sich für das anstehende Match gegen Österreich einzustimmen. Alles verlief in geordneten Bahnen. Ich traf sogar meinen Cousin Alen, der extra aus der Schweiz angereist kam und morgen im Stadion sitzt. Unser Dienst dauerte bis 2 Uhr nachts an. Nach den Spielen verlagerte sich das Geschehen von den Lokalen auf die Straße. Wir begleiteten 200 friedvolle kroatische Fans, die ihre Schlachtgesänge zum Besten gaben. Unglaublich, welchen Lärm 200 Menschen machen können. Wir rechnen derzeit mit 35.000 angereisten kroatischen Fans nur in Wien. Wir waren am Ende zufrieden. Es gab keinerlei Zwischenfälle, auch von den Bad Blue Boys aus Zagreb war nichts zu sehen. Die Hardcore-Fans von Dinamo Zagreb organisieren sich derzeit in und um Wien. Auf diese Fans muss man aufpassen. Zahlreiche amtsbekannte Hooligans sind unter ihnen. Sie reisen mit ungarischen oder rumänischen Pkws nach Österreich ein, schlafen bei Freunden oder in ihren Autos und sind auf Stänkerei aus. Es sind nicht viele, aber sie sind auch nicht ohne. Das war´s für heute: Am Sonntag wird es erstmals ernst. Austrija vs. Hrvatska: Das wird ein Kracher. Wir sind beim Spiel auf jeden Fall in der Nähe des Stadions, ob wir rein dürfen, glaube ich eher nicht. Auf ein tolles Spiel! Euer David
Sonntag und Montag, 8. und 9. Juni, Tag 5 & 6: Der erste Höhepunkt
Hallo! Melde mich aus St. Georgen am Längsee in Kärnten. Meine zwei Kollegen und ich wohnen hier in den nächsten Tagen in einem Vier-Sterne-Hotel. Wir sind müde, denn wir haben keine zwei Stunden in der Nacht geschlafen. Gestern Nachmittag ging´s als erstes ins Zentrum. In der Innenstadt war eine Stimmung, die nur schwer zu toppen war. Österreichische und kroatische Fans überall! Wir begleiteten eine große Gruppe kroatischer Fans, die sich auf den Weg Richtung Ernst Happel-Stadion machten. Dort angekommen mischten wir uns unter die Fans, die vor dem Stadion feierten. Dann kehrten wir noch einmal ins Stadion zurück. Wir konnten ein paar Tribünen begehen, die Stimmung steigerte sich mit jeder Minute. Als wir einen Sicherheitsbeauftragten fragten, ob wir uns das Spiel auf einer Plattform unter dem Stadiondach anschauen könnten, meinte dieser: „Eher nicht! Im Fernsehen sollen keine uniformierten Polizisten zu sehen sein!“ Schade, aber es war okay. Kurz vor dem Spiel sicherten wir uns gute Plätze in einem Lokal in der Nähe des Stadions und sahen uns das Spiel an. Das Tor in der 4. Minute blieb das einzige des Spiels. Die Österreicher konnten sich erst kurz vor der Pause von dem Schock erholen, zweite Halbzeit waren die Kroaten am Ende stehend k.o. Der Ausgleich sollte nicht mehr gelingen. Nach dem Schlusspfiff feierten die Kroaten ausgiebig, wussten aber ganz genau, dass die Leistung ihrer Mannschaft nicht das Gelbe vom Ei war. Am Abend mischten wir uns in unserer Privatkluft in die Ottakringer Straße. Die Kroaten feierten dort den Sieg. In einem Lokal erkannte mich ein Fan: „He, du bist doch ein österreichischer Polizist.“ Die Nacht dauerte sehr lange. Am Morgen hieß es nach nicht einmal zwei Stunden Schlaf „Aufstehen“. Ich wollte meinen Kollegen meinen Posten in Tribuswinkel und das Cobra-Zentrum zeigen. Aufgrund unserer Müdigkeit verzichteten wir aber darauf. Stattdessen gab´s ein leckeres Mittagessen bei meiner Mama in Grafenbach. Danach starteten wir unseren Umzug Richtung Klagenfurt. Aus dem Zwischenstopp im Kroaten-Lager in Bad Tatzmannsdorf wurde ebenfalls nichts. Wir waren dann schon froh, dass wir vor kurzem in der Nähe von Klagenfurt, in St. Georgen am Längsee, angekommen sind. Bald gibt´s einen neuen Tagebuch-Eintrag, bis dahin, euer David!